Historische Dokumente: 1865 - Diebstahl - ärztliches Gutachten und Urteil.
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Abschrift

An den Herrn Bürgermeister Klein Wohlgeboren hier

Auf Ihre heutige Zuschrift betreffend die Unter- suchung der beiden verhafteten Ehefrauen Anna- Maria XXXXX und Anna-Maria Differding, in Betreff ihrer Marschfähigkeit beehre ich mich Ihnen zu erwiedern, daß nach stattgehabter Untersuchung die XXXXX auch nach ihrer Angabe schwanger im 6ten Monate, die Reise nach Trier zu Fuße zu machen im Stande ist; daß aber die Differding, welche ein kleines Kind nährt und deren Brüste vor Milch strotzen, ihr Kind zum Austrinken der Brüste mit sich führen muss, und daher mit dem- selben den Weg zu Fuß nach Trier nicht zurücklegen kann. Für letztere ist es daher notwendig, daß eine Fuhre requirirt werde; welches hiermit der Wahrheit gemäß attestiert.

Prüm, den 31. Januar 1865
gez. Dr. Hüllsmann
Kreisphysikus

Nr. CH 30/1/65 Nr.

Brm. dem Herrn Bürgermeister Scheurette Wohlgeboren in Schönecken umstehende Anschrift des ärztlichen Fundberichtes mit dem ergebenen ersuchen übersendet, womöglich heute noch das Kind der verhafteten Ehefrau des Tagelöhners XXXX anher trans- portieren zu zu lassen, da diese Maßregel gemäß dem ärztlichen Bericht als dringend geboten erscheint und eine Verzögerung des Transportes hiernach wohl nicht stattfinden darf.

Prüm, den 31. Januar 1865 der Bürgermeister in Vertr. der Beigeordnete Alff

Am 31ten Januar 1865 das Kind der XXXX durch die Anna-Maria Walerius von hier nach Prüm transportieren lassen.

Scheurette

pr.ch 1/5/65 Nr. 429

Durch Erkenntniß der hiesigen Zuchtpolizeikammer vom 7ten März sind Anna-Maria XXXX, Ehefrau des Tagelöhners Peter XXXX* daselbst, und Anna-Maria Differing, Ehefrau des Tagelöhners Caspar XXXX* zu Ichterhof, der Unterschlagung eines Briefbeutels mit 400 Taler zum Nachtheil des Postfiskus, für überführt erklärt und Jede zu einer Gefängnißstrafe von einem Monat und solidarisch zu den Kosten verurtheilt worden. Von obigen 400 Talern sind 372 Taler wieder im Besitz der Postverwaltung gelangt, welche außerdem einige, von den Condenmaten für einen Theil des Geldes gekaufte Gegenstände durch die Königliche Ober Pro- curator überwiesen worden sind. Nach Abzug dieses Erlöses für die gedachten, noch nicht verwertheten Gegenstände bleiben noch 27 bis 28 Taler zu decken. Euer Wohlgeboren ersuche ich ergebenst, gefälligst hierher mittheilen zu wollen, in welchen Vermögensverhältnissen die beiden Condenmaten leben, ob eine Klage auf Zahlung des obigen Restbetrages Erfolg verspricht oder ob sich etwa die Ehemänner der Condenmaten zur Zahlung verstehen würden.

Trier, den 5ten Mai 1865
Der Ober-Post-Direktor
In Vertretung Meudorn

An Den Herrn Bürgermeister Scheurette Wohlgeboren
in Nr. 4576 Schönecken

Schönecken, den 7ten Mai 1865
An
den Königlichen
Oberpostdirektor
Ritter v. XXXXX
Herrn Meyer

u Trier

                                       Nr. 429

Euer Hochwohlgeboren habe ich die Ehre auf die sehr vertrauliche Zuschrift vom 5.d.M. Nr. 4178 zu erwiedern, daß die beiden wegen Unterschlagung eines Briefbeutels mit 400 Talern am 7. März von der dortigen Zuchtpolizeikammer verurteilten Ehefrauen Anna-Maria XXXX von hier und Anna-Maria XXXX zu Ichterhoff in den ärmlichsten Vermögens-Verhältnissen leben und eine Klage gegen dieselben auf Zahlung des an der obigen Summe noch fehlenden Restbetrages von 27 bis 28 Talern keinen Erfolg verspricht und daß ihren Ehemänner sich zur Zahlung dieses Restbetrages nicht verstehen. Dieselben sind so arm, daß, wenn sie sich auch zur Zahlung verstehen wollten, diese niemals dazu im Stande sein würden.

Der Bürgermeister Scheurette Schönecken, den 7. Mai 1865

* Der Familienname wurde unkenntlich gemacht, die beiden Damen waren Schwägerinnen, folglich ihre Ehemänner Brüder.

Anmerkung der Redaktion:
400 Taler waren 1865 keine Kleinigkeit, ein Taler entsprach in etwa dem heutigen Gegenwert von 170-180 Euro, somit handelt es sich um eine Diebstahlssumme von ca. 70.000 Euro und einen verursachten Schaden von ca. 5000 Euro. Dieser Straftatbestand hätte in der Gegenwart sicherlich eine Gefängnisstrafe nach sich gezogen. Die Frauen sind also 1865 glimpflich davon gekommen, der verursachte Schaden wurde amtlich abgeschrieben..

Entziffert von Nikolaus Arenth, Schönecken im Feburar 2010.

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